Benedict Kleiser berichtet aus Ville Mont Royal

Schon lange wollte ich einmal für ein halbes Jahr als Gastschüler ins Ausland gehen. Ich stellte mir es immer fantastisch vor, einfach einmal eine andere Kultur hautnah zu erleben und dabei nicht nur ein Tourist, sondern „mitten drin zu sein“. Außerdem dachte ich, dass es in Quebec immer viel mehr Schnee gibt. Bevor ich wegflog bin, fanden es alle immer sehr witzig, dass ich in den „kalten Norden“ wollte. Jedoch war es in Montréal wärmer als in Deutschland! Ich ahnte noch nicht, dass ich die Gastfamilie wechseln würde.

Nach einem langen Flug war es endlich soweit. Mein Betreuer brachte mich zum Haus meiner ersten Gastfamilie. Dort wurde ich von einer Freundin meiner Gastmutter in Empfang genommen. Es kam mir wie ein Traum vor. Ich war in einem sehr schönen alten Haus. Es lag am Saint-Laurent, einem Fluss, der eher einem See ähnelte. Gleich am nächsten Tag ging es in die Schule. Diese war ganz schön weit entfernt, mit dem Bus brauchte man ungefähr drei Stunden.

Leider zeigte es sich aber immer mehr, dass meine Gastfamilie eigentlich „keine Zeit“ für einen Gastschüler hatte. Also besichtigte ich Montréal alleine und hoffte auf die Ferienwoche. Auch im Urlaub in Quebec gab es keine gemeinsamen Unternehmungen. Mein Gastbruder war bei Freunden, meine größere Gastschwester bei einem Wettkampf, die zwei Kleinen bekamen eine Kindergärtnerin und ich musste wieder alleine an organisierten Tagesfahrten für Touristen teilnehmen. Nicht einmal am Abend trafen wir uns. So hatte ich mir meine Gastfamilie nicht vorgestellt, auch beschwerte sich die Gastmutter bei meinem Betreuer und in der Schule über mich, ohne vorher mit mir darüber zu sprechen.

Nach einigem Zögern wechselte ich schließlich. Ich wurde sehr herzlich von meiner neuen Familie empfangen. Gleich zu Beginn verreisten wir vier Kinder mit den Eltern für die Osterfeiertage zu einem Familientreffen aufs Land zur Großtante. Die Umgebung war beeindruckend, der nächste Nachbar wohnte fünf Kilometer entfernt. Gleich neben dem Haus befanden sich zwei große Seen, eine Wasserquelle und vor allem ein riesiger Wald. Wir  machten Wanderungen, fuhren Motorboot, aßen zusammen und feierten zusammen Ostern. Die Verwandten interessierten sich auch für unsere Osterbräuche wie zum Beispiel das selbstgebackene Osterlamm, das mir meine Mutter geschickt hat.

Wieder in Montréal wurde ich für die Zeit des weiteren Aufenthalts ein Mitglied der Familie. Wir besuchten die Großeltern, machten Brettspiele und Kartenspiele, es gab Ausflüge… Wir waren sogar beim Grand Prix von Montréal! Meine Gastmutter ist übrigens eine Superköchin.

Im Frühling fuhr ich dann für eine Woche mit neun Freunden meiner Schule und zwei Lehrern am Petawawa in Ontario Kanu. Wir zelteten in der Wildnis und waren ganz auf uns selbst gestellt. Abends mussten wir sogar immer die Nahrungsmittel in die Bäume hängen, damit keine Bären an sie rankamen. Es war einfach unvergesslich!

Nächsten Sommer wird mich auf jeden Fall meine Gastfamilie, die ich jetzt schon vermisse, besuchen und auf jeden Fall werden wir den Kontakt halten. Ein Gastbruder lernt jetzt sogar Deutsch und vielleicht klappt es mit einem Schulaufenthalt bei uns!

Ich kann euch so einen Aufenthalt nur empfehlen. Man lernt auf jeden Fall dazu. Zur Zeit in der ersten Gastfamilie ist mit den Worten meines Betreuers zu sagen: „Auch eine schlechte Erfahrung ist eine Erfahrung!“ Man muss seinem Gefühl trauen, wenn etwas nicht passt und sich auch grundlegende Entscheidungen wie einen Familienwechsel nur zutrauen.

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