Lukas Nowak berichtet aus Nelson College for Boys

Kia ora koutou katoa! Kurz vor dem Abschluss meiner Schulzeit blicke ich unverändert begeistert, wenn auch nahezu wehmütig auf meinen Auslandsaufenthalt vor zwei Jahren zurück. Nach den Sommerferien im Jahr 2015 brach ich für 3 Terms (Herbst bis Sommer, entspricht also etwa 9 Monaten) ans andere Ende der Welt, nach Nelson, die sonnigste Stadt Neuseelands und nördlichste der Südinsel, auf.

Auf Grund von G8 stand dabei von Anfang an fest, dass ich die 11. Klasse nach meiner Rückkehr aus Neuseeland fortsetzen müsste, um die abiturrelevanten Noten zu erlangen, weshalb ich damit quasi mein „gap-year“ als 16jähriger vorzog und mit College-Unterricht füllte. Oft ist mir nach meiner Rückkehr die Frage gestellt worden: „Und??? Wie wars?!“ Jemandem darauf eine kurze Antwort zu geben, ist unmöglich, die von vielen oft als bislang beste Zeit des Lebens in wenige Sätze zu fassen genauso, weshalb ich mich nun im Rahmen dieses Berichts mit der Antwort auf jene Frage auseinandersetzen werde.

Natürlich beginnt jeder Auslandsaufenthalt in Neuseeland mit einem extrem langen Flug, dem für mich bis dato mit Abstand längsten, der aber durch die Betreuung mehrerer GIVE-Mitarbeiter und durch den Komfort von Singapur Airlines nicht der Panik meiner Eltern gerecht wurde. Der Flughafen in Singapur mit authentischer „food street“, Schmetterlingsgarten und swimming pool war dabei ein erstes Erlebnis, das ich zusammen mit Gleichaltrigen in derselben Position, zu denen ich noch während meines Aufenthalts und sogar darüber hinaus Kontakt hielt, haben konnte.

Auf meine Gastfamilie traf ich zum ersten Mal am kleinen Flughafen in Nelson, der im Übrigen weder security gates noch Gepäckband besitzt, und zu dem ich in einer winzigen Propellermaschine zunächst mit Todesangst, dann die Aussicht genießend, gelangte. Direkt wurde ich nicht nur von meiner Gastfamilie, sondern auch von Zuständigen des Colleges herzlich empfangen, sodass ich jegliche Schüchternheit und Aufregung sehr schnell ablegen konnte. Zu Gute kam mir dabei auch, dass GIVE uns auf den Vorbereitungsseminaren über die erwartete Höflichkeit in Neuseeland (das Motto: lieber ein „thank you“ und „please“ mehr als zu wenig) aufgeklärt hatte, wofür ich sogar explizit von meiner Gastfamilie gelobt wurde, zumal sie bereits andere Erfahrungen mit Gastschülern gemacht hatte. Das Einleben in meine Gastfamilie fiel mir dabei von Anfang an leicht; schnell gewöhnte ich mich an ihren Tagesablauf und brachte mich selbst ein. Gerade am Anfang halfen mir die abendlichen Gespräche, Brettspiele mit meiner jüngeren Gastschwester und gemeinsamen Fernseher-Runden, meine Sprache schnell zu verbessern. Insgesamt war es für mich als Einzelkind eine sehr neue Erfahrung, das Familienleben mit zwei Gastgeschwistern genießen zu dürfen und ein geborgenes „family-feeling“ begleitete mich bis zum Abschied unter Tränen. Bereits zweimal seit meiner Rückkehr habe ich wieder Zeit in Neuseeland bei meiner Gastfamilie verbracht, davon einmal mit meinem Vater, während bald ein Besuch hier in Deutschland geplant ist.

Die Schul- bzw. College-Zeit in Neuseeland empfand ich nicht wie normale Schulzeit, sondern profitierte und das tatsächlich mit Spaß täglich für mein Leben. Dabei war die Fächerwahl eine der schwersten Entscheidungen, die ich zu treffen hatte, da man sich bei den kuriosen Möglichkeiten auf nur 6 Fächer festzulegen hatte. Aus Fächern wie hospitality, business, economy, accounting, fish and game, classics, metal work, engineering und etlichen mehr entschied ich mich letztlich für Mathe, Englisch (beide Pflicht), history, outdoor education, physics und Maori Performing Art. Nach einem Leistungstest wurde ich in den Kiwi-Englischunterricht (statt Englisch als Fremdsprache) und in einen Mathe-Calculus-Kurs (entspricht etwa Uni erstem Semester) eingeteilt, was mir auch für die deutsche Schule immens geholfen hat. Geschichte und Physik waren jeweils sehr praxisnah, mit Quellen-Recherchen zu selbst gestalteten Themen in Geschichte und auszuwertenden Versuchsreihen in Physik. Outdoor Education ist der „Bestseller“ unter „international students“ und das mit gutem Grund: Orientierung im Gelände, Felsklettern, Fluss-Kayak, Camping, Mountainbiken, etc. kombiniert mit mehrtägigen Exkursionen zum Kayaken und Wandern bereiteten einige Highlights meines Aufenthalts und das in der Schulzeit. Ein anderes Highlight war dabei für mich das Fach „Maori Performing Art“, das ich als erster „international student“ gewählt habe, da ich es als Pflicht ansah, mich mit der Kultur der ursprünglichen Bewohner Neuseelands zu beschäftigen und ich vom traditionellen Schul-Haka fasziniert war. Sehr offen empfingen mich die Maori-Stämmigen Mitschüler und auch der Lehrer (im Unterricht „matua“ genannt), der mich in das Lernen der traditionellen und uralten Lieder und Tänze und in die basics der Sprache einführte.                                                                          Insgesamt ist das Verhältnis zu den Lehrern viel enger und quasi freundschaftlich. Hat ein Schüler Nachhilfebedarf gehört es für den Lehrer zum guten Ton, die eigene Freizeit und Freistunden für die Schüler zu opfern. Aber auch der Umgang der Schüler mit den Lehrern erfolgte sehr respektvoll, so verabschiedet sich jeder Schüler im Normalfall persönlich mit einem „cheers (Danke)“ nach der Unterrichtsstunde. Das neuseeländische Schulsystem sieht extrem viel selbstständiges projektartiges Arbeiten vor, ohne jedoch die Freizeit völlig in Anspruch zu nehmen. Es bleibt genug Zeit für Sport, der vor allem an der Schule direkt organisiert wird und auf hohem Level stattfindet, zumal es zu regelmäßigen Wettbewerben zwischen den Schulen kommt. Auch in den Pausen fand ich immer Freunde zum Rugbyspielen oder zum Besuch im schuleigenen Pool. An dieser Stelle ein Tipp für zukünftige Auslandsschüler zum Thema Freunde: Zwar ist es leicht, sich früh mit den anderen Auslandsdeutschen an den Schulen zusammen zu tun, aber ihr reist nicht ans andere Ende der Welt, um dort Urlaub mit anderen Deutschen zu machen und eurem Englisch tut ihr damit auch keinen Gefallen! Ihr seid nicht auf Mallorca… Also springt so schnell es geht über euren Schatten und auch wenn es schwer ist, haltet euch in Neuseeland an die Einheimischen, damit habt ihr mehr von eurem Aufenthalt!

Ein weiterer Aspekt meiner Zeit in Neuseeland waren die vielen Reisen, die ich vor allem in den zweimonatigen „Sommer“-Ferien unternahm, zu denen ich eigentlich jeweils eigene Berichte schreiben müsste. Es gibt verschiedene Organisationen in Neuseeland, die sich auf Reisen von „international students“ spezialisieren und mit denen GIVE selbstständige Reisen erlaubt. Als Entwarnung für die Eltern: Es ist durch die Kontaktleute von GIVE vor Ort unmöglich, dass Ihr Kind ohne Ihr Wissen auf eigene Faust Reisen unternimmt. Doch die Art der betreuten Reisen, die gestattet sind, sind eine gute Möglichkeit Land und Leute kennen zu lernen und nebenbei unheimlich an Selbstständigkeit zu gewinnen. Als kleiner Appetizer für die bald Privilegierten: Meine Reisen waren die Spirit of New Zealand (ein 10-tägiger Segeltripp von Auckland nach Napier), eine zweiwöchige Australienreise (Brisbane, Frazier Island, Gold Coast, Sidney), eine Rundreise durch Neuseeland von Norden nach Süden und schließlich ein Aufenthalt in Queenstown mit Bungy-jumps, downhill biken, Jeep-Safari, Glühwürmchen-Höhlen, Fjorden, etc.

Zum Abschluss möchte ich den Fokus auf die außergewöhnlichste Attraktion Neuseelands, die ich in Deutschland am meisten vermisse, legen: Die Menschen                                                                                       Ob meine Gastfamilie, meine Lehrer, meine Freunde oder einfach alle Menschen, die man in Neuseeland auf der Straße trifft. Der Charakter der Menschen des Landes ist von Grund auf offen, höflich, abenteuerlustig, witzig und vor allem unheimlich lebensfroh und das trifft tatsächlich auf den Großteil der Menschen, mit denen ich in Neuseeland Kontakt hatte, zu. Zurück am Frankfurter Flughafen, stellte sich mir zunächst die Frage, wieso alle Menschen eine so negative Mimik hatten und sich untereinander unfreundlich, fremd und nach meinen damals neuen Maßstäben extrem unhöflich verhielten. Und bis heute vermisse ich genau das am meisten und hoffe, dass jeder Neuseeland-Reisende ein Stück dieser Lebensart mit nach Deutschland bringen kann.

Lukas

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